UEFA Europa League: Ein Abend hinter den Kulissen
17.02.2023
Europa League Abend in der Red Bull Arena und einmal mehr drehte sich alles um die schönste Nebensache der Welt. Doch da ist seit geraumer Zeit mehr:
Die UEFA versucht immer öfter Werte von sozialer Kompetenz zu vermitteln. Tranparente samt Schweigeminute für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Türkei und Syrien vor dem Anpiff zum Kracher Salzburg gegen AS Roma waren da ein deutliches Signal. Hinzu kommen die laufenden Friedensbotschaften an die Kriegsnationen. Seit gut 20 Jahren arbeitet die UEFA aktiv an Projekten gegen Rassismus. FARE - Football Against Racism in Europe – mit einem Handbuch für “gute Verhaltensregeln” zur Bekämpfung des Rassismus im europäischen Fussball war eines der ersten wegweisenden Projekte. Dass diese Werte auch abseits des Schwenkwinkels von TV-Kameras tatsächlich gelebt werden, war vor der Red Bull Arena vor der Europa League Partie der Roten Bullen gegen AS Roma zu sehen.
Im Zugangsbereich zu den Medienbereichen ist Hatem Jalool auf seiner Position. Sein Job an diesem Abend ist es als offizieller Steward der UEFA nur jene reinzulassen, die hier auch tatsächlich die erforderliche Zutrittsberechtigung vorweisen können. Er sticht gleich einmal positiv ins Auge – keine rupige Türstehermentalität – wie man das von manchen Securities kennt. “Kann ich helfen” ist seine erste Frage, nachdem er den Ticket-Check absolviert hat und sieht, dass bei den beengten Parkverhältnissen im TV-Compound-Bereich jemand so seine liebe Not beim beschädigungsfreien Einparken hat.
Idlib, eine Stadt mit 164.983 Einwohnern im Nordwesten von Syrien, das war seine einstige Heimat. Im Bürgerkrieg in Syrien entwickelte sich Idlib zum letzten größeren Rückzugsort der oppositionellen Kräfte und ist seit Anfang 2020 Schauplatz einer großangelegten Militäroffensive der syrischen Streitkräfte. Vor sieben Monaten dann seine riskante Flucht nach Österreich. Der studierte Wirtschaftsingenieur flüchtet via Türkei, Griechenland, Albanien und Serbien letztlich nach Österreich. Auf der Flucht sei es am härtesten in Serbien gewesen, wo er vier Tage ohne Essen und Trinken in einem Wald Unterschlupf fand. Seine Frau musste der 27-Jährige in der Türkei zurücklassen. Sein größter Herzenswunsch: Dass sie bald nachkommen darf.
Seine Deutschkenntnisse sind nach nur sieben Monaten in Österreich beeindruckend gut. Wie er das geschafft hat? Fleißiges Üben - unter anderem mit Videos auf youtube – hat er schnell zur Antwort parat. Aber auch der Aktion “Mondseeland-hilft.org” verdankt er viel, eine Initiative welche die Betreuung von 25 Syrern beim „Schnitzelwirt“ in Zell am Moos übernommen hat.
Einzig die Frage, was der eigentliche Beweggrund seiner Flucht war, bereitet noch leichte Verständigungsschwierigkeiten. Kein Problem für Hatem. Er lässt die Frage in sein Handy sprechen und schon kommt die Übersetzung, die er am Display präsentiert: “Ich bin aus Syrien geflohen, weil Bashar al-Assad wollte, dass ich mich der Armee anschließe und Menschen töte”.
Bis zuletzt hatte er als Finanzbuchhalter gearbeitet und hofft, in Österreich bald Geld zu verdienen und sich eine eigene Wohnung leisten zu können. Warum die Wahl bei seiner Flucht auf Österreich gefallen ist? Er hat Freunde in Wien und viel über Österreich im Vorfeld recherchiert. “Die Leute sind sehr freundlich hier” und nennt Länder, in die er wegen auffallender Feindlichkeiten gegen Syrer nie wollte.
Die tragischen Erdbebenereignisse in Syrien und der Türkei haben auch sein privates Umfeld besonders getroffen: Cousin und Cousine samt deren fünf Kinder sind tot, ebenso 20 ehemalige Freunde und Studienkollegen in der Türkei.
Da tut es gut, wenn Fußball einwenig ablenkt, wenngleich das runde Leder freilich die Wunden nicht heilen kann: Vom Match in der Red Bull Arena bekommt er an seiner Position nichts mit, obwohl er ein glühender Fußballfan ist. Barcelona – das ist sein Lieblingsverein. Wer weiß, vielleicht steht er ja mal wieder im “Steward”-Outfit bei einem Champions League Kracher gegen seinen Lieblingsverein vor der Red Bull Arena.